"Berg der Sprachen" nannte im 10. Jahrhundert der arabische Geograph Al-Mas'udi den Kaukasus und schon Plinius berichtet, dass die Römer in Dioskurias (heute Sokhumi) 130 Dolmetscher benötigten. Die Angaben schwanken zwischen 70 und 360 Sprachen und Dialekten. Als Ursache für die Vielfalt auf engstem Raum ist sicherlich die starke Zerklüftung des Kaukasusgebiets in viele kleine, schwer zugängliche Täler mit bis über 5000 m hohen Gipfeln verantwortlich, in die sich die verschiedensten Gruppen zurückziehen konnten und so ihre angestammten Sprachen behielten. Darüber hinaus trägt die geografische Situation zur Abspaltung von Dialekten bei, aus denen sich nach einiger Zeit - begünstigt durch erschwerte Kommunikation - selbständige Sprachen entwickelten.
Besonderheit bei Kaukasisch ist jedoch, dass diese Sprachen keine genetisch einheitliche Sprachfamilie bilden, sondern aus mehreren Sprachfamilien stammen. Deshalb gliedern Linguisten Kaukasisch in drei voneinander unabhängige Sprachgruppen: Südkaukasisch (auch: Kartwelisch), Nordwestkaukasisch (auch: Abchaso-Adygeisch) und Nordostkaukasisch (auch: Nach-Dagestanisch).
Nach dem Zerfall der Sowietunion entstanden die Staaten Russland, Georgien, Arnebien und Aserbaidschan. Außer den eigentlichen kaukasischen werden heute im Kaukasusgebiet Sprachen aus drei Sprachfamilien gesprochen: dem Indogermanischen, Turkischen und Semitischen.
Das Indogermanische ist mit dem Armenischen, den iranischen Sprachen Ossetisch, Kurdisch (Kurmandji), Zaza, Tatisch und Talysisch, den slawischen Sprachen Russisch und Urkanisch und dem Griechischen vertreten. Die Turksprachen im Kaukasusgebiet sind Aserbaidschandisch, Kumykisch, Karatschi-Balkarisch und Nogaischi. Die einzige semitische Sprache ist das neuostaramäische Asior , das von etwa 13.000 Menschen in Georgien und Armenien gesprochen wird.
Übrig bleiben die rund 40 autochthonen kaukasischen Sprachen mit zusammen fast 9 Mio. Sprechern, um die es in diesem Artikel ausschließlich geht. Diese Sprachen zerfallen in über hundert Dialekte, wobei die Dialekte mancher kaukasischer Sprachen kaum wechselseitig verständlich sind, obwohl nur einige Kilometer Luftlinie zwischen ihren zu Lande schwer erreichbaren Dörfern liegen. Die antiken Schätzungen mit 300 Sprachen, die zunächst übertrieben erscheinen, könnten also doch nahe an der Wahrheit gelegen haben.
Aber auch diese Sprachenvielfalt ist heute vom Aussterben bedroht. Während in West- und Mitteleuropa inzwischen Staatsgelder fließen, um etwa das Sorbische oder Bretonische vor dem Aussterben zu retten, ist im Kaukasus an offizielle Unterstützung nicht zu denken: Die Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben ganz andere Sorgen.
Ein unfreiwilliges Beispiel liberaler Sprachpolitik bietet zurzeit die Kaukasusrepublik Dagestan, der dichteste Sprachenkessel auf dem Gebiet der Russischen Föderation. Mehr als 32 Sprachen, Dialekte und Mundarten werden im unwegsamen Bergland zwischen Tschetschenien, Georgien und Aserbaidschan gesprochen. Immerhin 8 von ihnen dürfen, neben Russisch, an dagestanischen Schulen gelehrt werden. Laut Alexander Magometow, Linguist an der Universität Tiflis, ist der Grund hierfür einfach "Die Russen haben im Augenblick so viel Ärger mit den Tschetschenen, dass sie uns fast alles durchgehen lassen."
Aber es gilt die Sprachenvielfalt zu bewahren und systematisch im Bildungssystem zu verankern, um so den lisnguistischen Schatz, den diese Region birgt, zu wahren.
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